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Kann ein Kreißsaal denn eckig sein?

Kräuterkasten | Claudia Zimmer und Herwig Rutt huldigen dem großen Humoristen Heinz Erhardt

Mit einem Heinz-Erhardt-Abend im Kräuterkasten würdigten Claudia Zimmer und Herwig Rutt den Altmeister des Wortwitzes. Foto: Schwarzwälder Bote

Eine große Hommage an den Menschen, Komiker, Poeten, Kabarettisten, Musiker und Filmstar Heinz Erhardt war das Gastspiel von Claudia Zimmer und Herwig Rutt aus Tübingen im Ebinger Kräuterkasten

Albstadt-Ebingen. Man kann jemanden wie Heinz Erhardt, porträtieren, indem man nüchtern Fakten liefert, Lebensdatum an Lebensdatum reiht, die Zuhörer mit Auszügen aus seinen Werken überschüttet und unzählige Kritiker zitiert. Fakten haben Zimmer, die Diseuse, und Rutt, der Mann am Klavier, in der Tat zu bieten: geboren 1909 in Riga, gestorben 1979 in Hamburg, erste Versuche als Kabarettist anno 1934, das Theaterdebüt 1946. Aber diese Fakten werden aufgelockert – und meistens kommt dabei Heinz Erhardt selbst zu Wort kommt, trefflich begleitet am Klavier.

Geboren im Kreißsaal? Aber der Saal ist doch eckig, nicht rund! Und eine Zelle kann sowohl der Anfang als auch das Ende eines Lebens sein – bei Heinz Erhardt, dem sprachlichen Genussmenschen, dem Spezialisten für Wortspiele, Verdrehungen, Doppeldeutigkeiten, linguistischen und logischen Absurditäten, kommt es auf jedes Wort an. Das verlangt den Vortragenden höchste Konzentration ab.

Erstaunlich, wie souverän, ja spielerisch, sie die Herausforderung zu meistern scheinen. Claudia Zimmer mutiert zum erstaunten Jüngling, zur beschlagenen Kunstkennerin, zur arroganten Sängerin und zur piepsenden Maus, die den Partner mit schmachtendem Blick anhimmelt. Herwig Rutt kontert scheinbar kühl, verhaspelt sich aber ums Haar, wenn er – dann doch aufgeregt – "mein Mädchen" mit "dein Mädchen" vergleicht. Die Frage "Was ist ein Pianist" beantwortet er mit "Königsberger Klopse" – Heinz Erhardt musste es wissen; er hat etliche seiner Gedichte selbst vertont und erwies sich auch beim Klassikerzitat als absolut trittsicher. In seiner "Erlkönig"-Variation dräut es gewittrig, desgleichen in der modifizierten Fontane-Ballade über John Maynards Todesfahrt nach Buffalo. Die Liebeshoffnung des jungen Mannes in der Straßenbahn erfüllt sich nicht und endet folgerichtig mit Chopins Trauermarsch, zu elegischen Klängen klopft Freund Hein an die Tür, und der Flohwalzer erweist sich als unbegrenzt deklinierbar – Staccato, Largo, Volkslied und dröhnende Schlussakkorde, nichts wird ausgelassen. Pianisten sind Akkordarbeiter, und die Frage, was die essen, muss erlaubt sein!

Herwig Rutt ist übrigens ein begnadeter Pianist. Er hat viele Gedichte von Heinz Erhardt selbst vertont, trifft genau den Stil der jeweiligen Epoche, foxtrottet, swingt, tanzt und entführt sein Publikum geraden Wegs ins Varieté.

Eine Zugabe gibt es am Ende auch, aber nur eine: die Geschichte von der armen Maus, die der Katze zum Opfer fällt, weil diese der Fremdsprache des Bellens mächtig ist. Eine zweite verweigert Herwig Rutt – nach dem Tod der Maus, begründet er, wäre das pietätlos. Sehr schade – der begeisterte Applaus des Publikums zeigt, dass alle im voll besetzten Kräuterkasten noch lange nicht genug haben von Heinz Erhardt, Claudia Zimmer und Herwig Rutt.

Ute Büttner, Opens external link in new windowSchwarzwälder Bote 25.10.2018